Das neue Personalbemessungsverfahren – Teil 1
In diesem Beitrag werden grundlegende Gedanken zu dem neuen Personalbemessungssystem diskutiert. Dieses wurde in den letzten Jahren in einem Gemeinschaftsprojekt zwischen dem SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik Institut fĂĽr Public Health und Pflegeforschung (IPP), dem Institut fĂĽr Arbeit und Wirtschaft (iaw) und dem Kompetenzzentrum fĂĽr Klinische Studien Bremen (KKSB) entwickelt. Die Ergebnisse sind u.a. unter folgendem Link zu finden: https://www.gs-qsa-pflege.de/dokumente-zum-download/
Das Ziel ist ein qualifikationsgerechter Einsatz
Wenn wir uns die heutigen Arbeitsablaufstrukturen in den vollstationären Einrichtungen anschauen, dann haben sich diese in den vergangenen 40 Jahren weitestgehend nicht verändert. Die „Station“ wurde lediglich in „Wohnbereich“ umbenannt: Die Strukturen entsprechen aber nach wie vor den Krankenhausstationen der 70iger Jahre. Der Frühdienst beginnt um 06:00 Uhr und das Frühstück steht um 08:00 Uhr „auf dem Tisch“. In der Regel verbringen die Mitarbeitenden in den ersten Stunden des Tages ihre Zeit mit den gleichen Aufgaben. Dabei übernehmen die Fachkräfte häufig Tätigkeiten, für welche sie letztlich überqualifiziert sind. Dieses aufgrund von mangelnden Delegationsmöglichkeiten oder auch um manche ungeliebten Fachkrafttätigkeiten nicht wahrnehmen zu müssen. Auf der anderen Seite hören wir immer wieder, dass Fachkräfte in die Pflege gegangen sind, um „zu pflegen“. Was immer das im Detail bedeuten mag. Die reine Grundpflege am Bett ist es bei den meisten jedoch nicht. Und somit steht die Frage im Raum, ob die Mitarbeitenden entsprechend ihrer Qualifikationen stets „richtig eingesetzt“ werden bzw. sich „einsetzen lassen“. Dieses insbesondere vor dem Hintergrund, dass Vorbehaltsaufgaben nach dem Pflegeberufegesetz (§4) ausschließlich von Fachkräften durchgeführt werden müssen.
Die Vereinheitlichung in der gesamten Republik
Jedes Bundesland hat seinen eigenen MitarbeitendenschlĂĽssel definiert: Orientiert an den Pflegegraden. Das bedeutet, dass den Pflegekunden in Bayern mehr Pflegezeit zur VerfĂĽgung steht als in Schleswig-Holstein. Das lässt zwei Vermutungen zu: Die Pflegekunden in Bayern sind – obwohl sie den selben Pflegegrad haben – hilfsbedĂĽrftiger als die Norddeutschen oder die Mitarbeitenden in Bayern arbeiten langsamer als in Schleswig-Holstein. Beide Betrachtungen sind aus der Luft gegriffen. Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten wurde dies in den Bundesländern entsprechend verhandelt. Diese Vorgehensweise wird dem Bedarf der Pflegekunden jedoch nicht gerecht. Folglich soll sie sich mit der EinfĂĽhrung der neuen Personalbemessung ebenfalls ändern.
Das Ende der einheitlichen Fachkraftquote
Wer hat bestimmt, dass es in jeder Einrichtung eine 50%ige Fachkraftquote geben muss? Sehen wir einmal davon ab, dass diese Quote in vielen Unternehmen heute schon nicht eingehalten wird. Die Quote, wie viele Fachkräfte, wie viele Assistenzkräfte und wie viele Hilfskräfte in einer Pflegeeinheit tätig sein müssen, wird nun nur noch über die einrichtungsinterne Verteilung der Pflegegrade bestimmt. In diesem Zusammenhang werden die Mitarbeitenden des Tagdienstes – ohne Führungskräfteanteile – nach den vier Qualifikationsniveaus aufgeteilt. Das bedeutet für eine Einrichtung mit 120 Pflegeplätzen und einer der bundesdurchschnittlich entsprechenden Pflegegradverteilung, dass es circa 25 Pflegefachpersonen mit einer dreijährigen Ausbildung, ungefähr 21 Assistenzkräfte mit einer ein- bis zu zweijährigen Ausbildung und 18 Mitarbeitenden mit einer geringen Qualifizierung und drei ungelernten Pflegehelfer bedarf. Die Fachkraftquote wird dann ungefähr bei 38% liegen. Diese wird prozentual zunehmen, je mehr Pflegekunden mit einen hohem Pflegegrad („vier“ oder „fünf“) in der Einrichtung leben.
Und nun?
Die aufmerksamen Lesenden werden nun anmerken können, dass sich ja im Grunde genommen wenig verändern wird. Es wird andere Qualifikationsschlüssel geben. Dadurch werden sich jedoch die Aufgaben am Pflegekunden nicht ändern. Und letztlich bestimmen die Bedürfnisse und Bedarfe des Pflegekunden, welche Dienstleistungen zu welcher Zeit notwendig sind. Alles beim Alten? Ja und nein. Denn, durch das neue Bemessungsverfahren werden in Summe mehr Mitarbeitende benötigt. Und dieses vor dem Hintergrund einer sehr angespannten Personalsituation. Die Unternehmen müssen sich nicht nur mit einer anderen Arbeitsorganisation, sondern auch mit dem Thema „Bindungsfaktoren“ auseinandersetzen.
In diesem Zusammenhang werden wir Ihnen in dieser Betragsreihe mögliche Vorgehensweisen vorstellen.
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Frank von Pablocki
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